Text und Foto: Monika Fischer
Aktuell treffen sich sechs Frauen der AG DenkRäume des Vereins GrossmütterRevolution alle paar Wochen zur Diskussion über ein von einer Teilnehmerin bestimmtes Thema. Sie kommen vom Rhein, von der Ostschweiz, aus Winterthur, Bern und der Zentralschweiz und schätzen den anregenden Austausch. Die AG DenkRäume ist ein Beispiel für ein lebendiges Frauennetzwerk, das sich bedarfsgerecht immer wieder verändert hat. Die von Heidi Witzig geleitete AG ist 2019 aus der 2016 gegründeten AG Integrität herausgewachsen. Vier Frauen sind seit Anfang dabei.
(Fortsetzung)
Der Ursprung der AG Denkräume liegt im Vortrag der Philosophin Lisa Schmuckli an der Frühlingstagung 2016 zum Thema «Autonomie im Alter – Abhängige Unabhängigkeit.»
Eindrücklich zeigte die Referentin auf: Die in unserer Gesellschaft so sehr angestrebte Autonomie ist im Grunde genommen eine Falle, sind wir Menschen doch im privaten wie im beruflichen Leben zeitlebens voneinander abhängig. Die Philosophin entwickelte einen anderen Blick auf den negativ besetzten Begriff der Abhängigkeit. Sie ermunterte dazu, den Begriff der Autonomie (eine männlich geprägte Falle) durch Integrität zu ersetzen: Integrität in Abhängigkeitsverhältnissen.
Care als revolutionäre gesellschaftliche Utopie
Anfänglich waren wir gegen 20 Frauen, die sich in der neu gegründeten AG Integrität vertieft mit dem Thema der Integrität auseinandersetzen wollten. Nach einem Jahr merkten wir, die zehn verbliebenen Teilnehmerinnen, dass wir mit dem Begriff der Integrität nicht weiterkommen. Das Nachdenken darüber führt ins Philosophische, was überfordert und nicht weiterbringt. Erfahrungsgemäss irritiert es die Menschen, wenn sie unvorbereitet mit dem Begriff der Integrität (anstelle von Autonomie) konfrontiert werden. Deshalb setzten wir uns mit der Frage auseinander, welche Anforderungen unsere Gesellschaft erfüllen müsste, um immaterielle Werte wie Integrität, Care usw. zu integrieren. Ausgehend von einem Artikel von Heidi über die Zukunft der Care-Arbeit beschäftigten wir uns mit dem Abschnitt «Care als revolutionäre gesellschaftliche Utopie». Als nächsten Schritt befassten wir uns im Buch «Wirtschaft ist Care» von Ina Praetorius mit dem letzten Kapitel «Die Wiederentdeckung des Selbstverständlichen: Eine offene Liste (S. 56ff.) Dort beschreibt die Autorin die Ökonomie in einer Gesellschaft, die alle Aspekte von Care integriert hat. Wir wollten dasselbe versuchen zum Thema Alter und widmeten unsere Diskussionen der Frage «Wie sieht das Alter aus in einer Gesellschaft, die alle Aspekte von Care integriert hat? Was müssen wir also fordern, individuell und politisch?»
Miteinander und Durcheinander
Zwei Jahre später präsentierten wir an der Frühlingtagung 2019 die für uns wichtigen Aspekte als Ergebnisse aus unseren Diskussionen:
Von der AG Integrität zur AG DenkRäume
Nachdem wir die Ergebnisse unserer Denkarbeit in die GrossmütterRevolution eingebracht hatten, fassten wir an unserem 20. Treffen den Entschluss, der AG einen anderen Namen zu geben: DenkRäume. Weiterhin wollten wir offen diskutieren über Fragen, die uns beschäftigten, uns auseinandersetzen mit verinnerlichten Bildern, die uns geprägt haben, mit unseren Identitäten, Rollenmuster und -bilder als alte Frauen.
Corona brachte uns in eine Art Schockstarre. Doch lernten wir, uns dank Zoom über unsere Befindlichkeit, unsere Erfahrungen und Gefühle im Lockdown auszutauschen. Wir sprachen über Solidarität und Solidaritäten, über Verantwortung für uns und für andere. Und irgendwann fassten wir nach der Zeit des zuhause Eingesperrtseins den Entschluss: Wir wollen als alte Frauen sichtbar sein. Wir alten Frauen sind da. Wir sind solidarisch und mischen uns ein. Dies führte am 14. Juni 2020 zur ersten erfolgreichen Aktion mit den Pappfiguren der GrossmütterRevolution in Zürich.
Alte Netzwerkerinnen
Nach dem Rückzug vom Migros Kulturprozent und der Gründung des Vereins GrossmütterRevolution zogen sich zwei langjährige Teilnehmerinnen zurück. Für uns fünf verbliebenen Frauen war klar: Wir machen weiter und strukturierten unsere Sitzungen anders: Eine Teilnehmerin wählt das Diskussionsthema aus und leitet die Sitzung. Die Gespräche drehen sich um die beiden Fragen: Was bedeutet das Thema für uns persönlich? Was heisst es für uns politisch?
Am 28. Treffen freuten wir uns über eine neue Teilnehmerin. In der Vorstellungsrunde zeigte sich das ungebrochene Interesse an ernsthaften Gesprächen, und wir lernten uns nach langer Zeit noch besser kennen. Die Diskussion über das Kapitel «Alte Netzwerkerinnen» aus dem Buch «Ich, die Alte» von Anna Freixas zeigte, wie wertvoll Freundschaften unter Frauen sind. Wie bereichernd und stärkend es ist, gemeinsam für etwas einzustehen und sich als Teil einer sozialen Bewegung wie die GrossmütterRevolution dafür einzusetzen.
Weitere Infos https://www.grossmuetter.ch/arbeitsgruppen/denkraeume/
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