Foto: Monika Fischer
In jeder
Studie, bei jedem Vortrag wird auf die Bedeutung der Bewegung für die
Gesundheit im Alter hingewiesen. Vier Frauen machen sich Gedanken, was das für
sie persönlich bedeutet, hat sie doch die Lebenserfahrung zu Fachpersonen fürs
Alter gemacht.
(Fortsetzung)
Bewusst da sein bei der Bewegung in der Natur
Marianne Stohler
Ich fühle mich heute Morgen so schlaff und müde und habe zu gar nichts Lust, obwohl sich auf meinem Schreibtisch viel angesammelt hat. Briefe sollten beantwortet, E-mails gelesen und Artikel studiert werden. Ich aber mag gar nicht anfangen vor lauter «ich muss», «ich sollte». Ein Unwohlsein breitet sich in mir aus und blockiert mich zusehends.
Was tun? Ich muss mich aufraffen, ich weiss. Am besten ziehe ich meine groben Schuhe an, den wetterfesten Regenmantel und mache mich auf in Richtung Wald. Zum Glück liegen die letzten Häuser bald hinter mir. Je weiter ich gehe, desto mehr bleibt alles hinter mir zurück, schaffe ich räumliche Distanz zu meinem Schreibtisch und all dem, was auch noch erledigt werden sollte. Meine Gedanken beginnen sich auf meinen Weg zu konzentrieren.
Da versammelt sich ein riesiger dunkler Schwarm von Krähen am Himmel und macht einen ohrenbetäubenden Lärm. Ich stehe und staune und schaue dem dunklen Schwarm nach.
Bald dehnt sich dann vor meinen Augen die Hochebene aus. Es nieselt, aber die Luft ist frisch und belebt mich. Ich ziehe kräftig aus und spüre, wie mir langsam wohler wird. Ich bin gepackt von der Landschaft mit den kleinen Nebelschwaden, die über den nassen Wiesen hängen. Ein paar Kühe grasen friedlich. Ich beobachte sie einen Moment und wende mich dann zuerst dem Waldrand zu. Vorerst noch spaziere ich ihm entlang, aber dann geht’s hinein, immer tiefer. Die hohen Bäume stehen bereits ganz kahl da und strecken die nackten Äste in den Himmel. Es ist ziemlich düster und eine wenig geheimnisvoll. Ich gehe recht schnell und atme in grossen Zügen die kalte Luft ein. Es ist erstaunlich still. Nur ab und zu ist ein Vogel zu hören und dann sind es Regentopfen, die von den Blättern ins Laub fallen.
In mir wird es ruhiger. Ich staune einmal mehr, wie mich die Natur mit ihren unterschiedlichen Stimmungen erdet, mich ruhig werden lässt. Ich spüre meinen Körper plötzlich wieder und nehme ihn ganz bewusst wahr. Das Blut pulsiert in meinen Adern und ich fühle mich ganz gegenwärtig. Das zügige Wandern tut gut.
Wie schön, kann ich mich noch so bewegen, bin ich gut zu Fuss, habe ich noch Kräfte zur Verfügung, die es mir erlauben, raus in die Natur zu gehen und das Müssen hinter mir zu lassen. Dankbar gehe ich weiter und geniesse das Unterwegssein.
Fördern der Beweglichkeit durch Training
Barbara Bischoff Frei
Beweglichkeit ist nicht nur mit Fitness und Jogging verbunden. Im Alltag habe ich auch bei den täglichen Arbeiten im Haus, beim Putzen, Kochen oder bei der Gartenpflege, viel Bewegung. Aber auch bei Spaziergängen, kleine Wanderungen mit Bekannten oder beim Treppensteigen anstelle des Lifts.
Obwohl ich mich schon immer viel bewegte, praktisch alle Einkäufe zu Fuss oder mit dem Velo erledigte, wurde bei mir eine schwere Osteoporose mit bereits eingebrochenen Wirbeln diagnostiziert. Deshalb empfinde ich manchmal gute Ratschläge zur Bedeutung der Bewegung und gesunden Ernährung etc. fast als Hohn. Es ist eine Tatsache, dass meine Knochen porös geworden sind und ich drei Zentimeter an Grösse verloren habe. Was mache ich nun? Der Grössenverlust der drei Zentimeter hat mich etwas beleidigt! Diese gebe ich nicht einfach her! Eine gute Therapeutin für Muskeltraining hat mich gelehrt, wie ich die porösen Knochen mit guten Muskeln unterstützen kann. Durch kleine Trainings im Alltag konnte ich meinen Rücken stärken, und bei der letzten Messung bin ich wieder etwas «gewachsen». Das macht mich sehr stolz.
Mindestens so wichtig wie die körperliche, ist die geistige Beweglichkeit. Dass meine Merkfähigkeit nachgelassen hat, realisierte ich erstmals, als die Grosskinder im Memory- Alter waren. Ich hatte einfach keine Chance mehr zu gewinnen. Ich konzentrierte mich sehr angestrengt auf die Karten, während die Kleinen wie Wirbelwinde herumzappelten und trotzdem die richtigen Karten aufdecken konnten.
Es gäbe die Möglichkeit, mit Gleichaltrigen Memory zu spielen. Das lockt mich aber nicht so sehr. Um meine geistige Beweglichkeit zu trainieren gibt es für mich alte Frau auch andere Möglichkeiten:
Für die Bedürfnisse und Anliegen alter Menschen sind wir nämlich Fachpersonen. Ich bin nicht immer begeistert, wenn eine Hochschulstudie mir erklärt, welche Bedürfnisse ich in meinem Alter haben soll. Als ich als 40-jährige mit alten Menschen arbeitete, dachte ich, diese sehr gut zu verstehen. Aber ich habe mich geirrt! Heute habe ich eine andere Ansicht. So will ich auch heute Profi bleiben und nicht als Groseli auf dem Ofenbänkli wahrgenommen werden.
Beweglich blieben durch Lesen, Rätseln, Bildung
Irmgard Bayard
Körperlich beweglich zu bleiben ist für mich insofern schwierig, als ich eigentlich nie wirklich gelenkig war, eben kein Bewegungsmensch bin. Als junge Frau habe ich zwar leidenschaftlich gerne getanzt, aber alles anderen war für mich eher ein Muss als eine Freude. Nun, viele Jahre und Kilos später und mit Arthrose, hat die körperliche Beweglichkeit noch mehr nachgelassen.
Die geistige Beweglichkeit hingegen versuche ich beizubehalten. Das ist mit zunehmendem Alter und Gedächtnislücken zwar nicht immer einfach, aber in irgendeiner Form machbar. Ich lese sehr gerne und viel. Das Lösen eher schwieriger Rätsel gehört zu meiner Leidenschaft und im Fernsehen schaue ich mir sehr gerne Quiz-Sendungen und Reportagen vorwiegend über Orte in der Schweiz und in Europa an.
In meiner Funktion als Besucherin alter Menschen nehme ich so oft als möglich an entsprechenden Kursen und an Tagungen teil und neuerdings lasse ich mich für „malreden“ zur Gesprächspartnerin ausbilden. Wenn ich will, kann ich die Senioren-Uni in Bern besuchen oder die Vorträge im Netz nachhören. Dank meines Berufes als Medienschaffende habe ich zudem die Möglichkeit, solange ich will und kann und jemand meine Texte lesen will, zu schreiben. Für all diese Dinge bin ich dankbar und hoffe, sie noch lange geniessen zu können. Das ist meine positive Sicht auf das neue Jahr, die ich zum Teil auch gerne mit der Leserschaft der Frauenweis(s)heiten teile.
Bewegt sein und etwas bewegen
Monika Fischer
Im Wechsel mit Ruhe ist Bewegung mein Lebenselixier. Wenn meine Gedanken zu sehr kreisen oder ich am Schreibtisch nicht weiterkomme, suche ich die körperliche Bewegung beim Boden putzen oder in der Natur. Denn beim Gehen setzen sich auch die Gedanken in Bewegung.
Wenn ich früher zu viel zu tun hatte, stieg ich auf meinen Hausberg, den Napf. Meine Gedanken schwirrten oft wie in einem Bienenkorb. Beim Aufstieg aus den tiefen Krachen kamen sie nach und nach geordnet zur Ruhe. Auf dem flachen Plateau angekommen, jauchzte ich angesichts der weiten Rundsicht befreit auf. Mit zunehmendem Alter habe ich meine Ziele angepasst.
Bewegen lasse ich mich auch von dem, was mir im nahen oder weiteren Umfeld begegnet. Manches drängt mich zum Handeln. Neben einer Unterschrift unter einer Petition oder den Wahl- und Abstimmungszettel führt es bei mir häufig zum Schreiben eines Artikels über Themen, für die mein Herz brennt.
Vor gut 13 Jahren fand ich in der sozialen Bewegung der GrossmütterRevolution bei den vielen ähnlich gesinnten Frauen eine Heimat. Als freischaffende Journalistin war ich damals auch nach dem Eintritt ins AHV-Alter beruflich weiterhin aktiv. Ich hörte immer wieder den Vorwurf, ich solle nicht mehr so viel machen und das Leben endlich geniessen. Das Leben geniessen heisst für mich unter anderem, mich mit meinem Wissen und meinen Erfahrungen aktiv in die Gesellschaft einbringen und diese mitgestalten.
In Bewegung sein.
Ich
erinnere mich gut an die Fachtagung von Pro Senectute Luzern zum Thema
«Autonomie im Alter», als die junge Referentin die SeniorInnen dazu
aufrief, sich in die Diskussionen rund ums Alter einzumischen und die
eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu formulieren. Es war genau das, was
ich wollte. In dieser Phase las ich von der GrossmütterRevolution und
wusste: Das war es, was ich gesucht hatte.
Mit der an den Tagungen spürbaren Energie der alten Frauen und dem Engagement in Aktionen und Projekten hat die GrossmütterRevolution manches bewegt. Alte Frauen wurden sichtbar und ihre Anliegen durch die Vernetzung mit anderen Organisationen gehört. So hat zum Beispiel der Nationalrat kurz vor Weihnachten mit deutlichem Mehr der Änderung des Ergänzungsleistungsgesetzes zugestimmt, die eine Finanzierung von Betreuungsleistungen zu Hause und im betreuten Wohnen ermöglicht.
Die Paul Schiller Stiftung schreibt dazu unter anderem: «Wir sind überzeugt, dass nur so die angestrebte Wirkung der Selbstbestimmung und dem Verhindern und Verzögern von unnötigen Heimeintritten erreicht werden kann. Dieser wichtige politische Entscheid ist das Resultat vieler Bemühungen von verschiedenen Altersorganisationen und Akteurinnen und Akteuren im Hintergrund.» Zu diesen Akteuren gehört auch die Bewegung der GrossmütterRevoltion, die sich mit ihren Schriften wie «Care-Arbeit unter Druck» sowie Aktionen viele Jahre für die Übernahme von Betreuungsleistungen eingesetzt hat.
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