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Ferienkolonie: Einfache Bleibe – aber sehr viel Spass

Impression aus der Ferienkolonie in Serneus 1955 von Barbara Bischoff (3. Kind von rechts mit der Schürze)
Impression aus der Ferienkolonie in Serneus 1955 von Barbara Bischoff (3. Kind von rechts mit der Schürze)

Text: Barbara Bischoff

Bald sind Sommerferien. Die Kinder freuen sich heutzutage auf die geplanten Ferien: Reisen ans Meer, in die Berge… Selten verbringen die Familien die ganzen fünf Wochen Ferien zu Hause.

(Fortsetzung)

Das war in meiner Jugendzeit anders. Eine Minderheit konnte mit der Familie in die Ferien reisen. Die Kinder blieben zu Hause, durften zu den Grosseltern, zur Gotte oder Tante - oder eben wie wir in die Ferienkolonie. Dieses Angebot wurde von der Schule organisiert und durchgeführt. Mein Vater war Lehrer und leitete mit einem Kollegen zusammen diese Ferienwochen. Auch die Lehrersfrauen waren dabei und hatten ihre Aufgaben. Die Lehrer waren zuständig für einen geordneten Ablauf und fürs Wochenprogramm, die Frauen fürs Emotionale und das Wohlbefinden der Kinder.

Vierer- bis Zehnerzimmer
Ich kannte im Sommer kaum andere Ferien als diejenigen in der Ferienkolonie. Bis zu 40 Kinder und vier Erwachsene fuhren jeweils für drei Wochen nach Serneus im Prättigau. Ich freute mich sehr auf diese Zeit. Das Ferienhaus war recht alt und primitiv: Vierer- bis Zehnerzimmer, unten ein Waschraum mit kaltem Wasser, ein grosser Aufenthaltsraum und ein Esszimmer. Das Essen wurde von der Fassmannschaft, bestehend aus drei Kindern, im angrenzenden Hotel geholt. Es war sehr einfach und nicht immer «anmächelig»! Es wurde mit einer grossen Kelle geschöpft. Zum Abwasch kam eine Hotelangestellte, ein älteres Fräulein (damals ein noch üblicher Ausdruck für unverheiratete Frauen), und wir Kinder musste reihum beim Abtrocknen helfen.

Die Ferien begannen schon am Vorabend der Abreise. Da brachten alle Kinder ihre Koffer zum Bahnhof, die dann zum Ferienort als Passagiergut spediert wurden.
Die Fahrt mit der SBB und anschliessend mit der RhB, der Rätischen Bahn, war für uns ein Erlebnis. Die Leiterinnen musste schon da Regeln aufstellen, damit nicht alle Zugfenster während der ganzen Fahrt offenblieben. So durften einmal die Fenster der rechten Wagenseite, dann der linken nach jedem Halt des «Bummlers» offenbleiben. Dadurch gab es oft einen Wechsel. Schnellzüge gab es damals kaum. Ebenfalls bereits zu Hause machten wir Kinder uns Gedanken, mit wem wir das Zimmer teilen möchten.

Schachtelkäsli, Landjäger und Sirup
Die Ferien verliefen jedes Jahr ähnlich. Es gab einen Besuch im Freibad in Klosters. Der Weg dorthin wurde von Serneus aus zu Fuss zurückgelegt. Es gab zwei grosse, ganztägige Wanderungen, einmal von Klosters Platz mit der Luftseilbahn zur Parsenn, dann zu Fuss über das Weissfluhjoch nach Davos und einmal von Klosters-Dorf ins Schlappin zum Schlappinersee. Die Picknicks auf diesen Tagestouren waren sehr einfach: viel Brot, Schachtelkäsli, Landjäger, Äpfel, Guetzli und Sirup. Wenn ein Kind ein «Fresspäckli» bekam, durfte es daraus etwas auswählen, der Rest musste abgegeben werden und wurde dann für die Znünis unterwegs verteilt. Sirup konnte in Flaschen relativ einfach transportiert und mit Wasser von unterwegs verdünnt werden. Das Essen wurde auf die einzelnen Rucksäcke der Kinder und der Lehrer verteilt, der Znüni und Zmittag wurde dann von den Leiterinnen verteilt.

Klosterbesuch und Gesellschaftsspiele
Da wir alle katholisch waren, durfte auch die Messe am Sonntag nicht fehlen. Wir liefen vom Mezzaselva/Serneus hinunter zur Landquart und dem Fluss entlang nach Klosters zur katholischen Kirche.
Am Sonntagnachmittag gab es Ausgang. In Klosters Platz durften wir durchs Dorf schlendern und das karge Sackgeld ausgeben, das vorher von den Lehrern verteilt worden war. Während dieses Ausgangs sassen die Leiter und ihre Frauen in einem Café. So wussten wir, wo wir sie finden konnten, falls es ein Problem gab. Zum Spielen hatten wir unendlich viel Zeit. Bei schönem Wetter draussen rund ums Haus oder an der kalten Landquart, bei Regen drinnen. Wir hatten sehr viele Gesellschaftsspiele dabei. Und man fand immer genügend andere Kinder, welche mitspielten.

Während dieser Zeit stricken die Lehrersfrauen, und die Männer lasen die Zeitung. An grosse Streitigkeiten kann ich mich nicht erinnern.
Der Höhepunkt der Ferien war die Schleichjagd! Wir fieberten sehr, bis die Leiter sie endlich ankündigten. Einen ganzen Nachmittag krochen wir durch den Wald, versuchten die gegnerische Gruppe zu erspähen und deren Nummern zu lesen. Dann hiess es zum Beispiel: «365 rot ab»! Waren alle der roten (oder schwarzen) Nummern erkannt, hatte diese Gruppe verloren. Dann wurde in anderer Zusammensetzung eine weitere Runde gespielt.
Wie sahen wohl unsere Kleider nach diesen Ferien aus? Gewaschen wurde nicht und mindestens bei der Schleichjagd krochen wir ja stundenlang über den Boden!

Wahrscheinlich war ich als Lehrerskind privilegiert, da ich nicht ohne meine Eltern in den Ferien war. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass ich meine Eltern viel sah, sie liessen mich in Ruhe. Zudem war es eher so, dass bei einer Regelverletzung mein Vater mich härter bestrafte als die anderen Kinder.

Meine beste Koloniefreundin kannte ich nicht aus meiner Klasse, sie besuchte die Parallelklasse. Sämtliche Lager haben wir aber gemeinsam verbracht. Wie schön ist es, sie auch heute noch zu sehen und uns an unsere gemeinsamen Ferien zu erinnern.

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