Text:Irmgard Bayard
Foto:zvg
Der Frauenstamm – ein Netzwerk der Generationen
Jeden dritten Samstagvormittag im Monat wird am Frauenstamm in Langenthal diskutiert, politisiert, aber auch viel gelacht. Die Themen sind jeweils ebenso vielfältig wie die anwesenden Frauen.
(Fortsetzung)
Als die junge Saima Linnea Sägesser in den Stadtrat von Langenthal nachrutschte, rief sie den Frauenstamm ins Leben. «In der Fraktion fühlte ich mich etwas einsam und hatte nur wenige weibliche Verbündete. Dem wollte ich mit einem Format entgegenwirken, welches Frauen aus der Region an einen Tisch bringt zwecks Vernetzung, Schwesternschaft und Austausch», erinnert sich die SP-Frau.
«Es ist wichtig, dass sich Frauen vernetzen», ist die 31-jährige Projektleiterin Migros- Kulturprozent m2act überzeugt. «Aktuell wird vor allem das berufliche Vernetzen propagiert. Doch das Soziale, Freundschaftliche ist genauso wichtig.» Sich kennen und verstehen unter Frauen sei ein wichtiger Teil hin zur Gleichstellung. «Gerade der generationenübergreifende Austausch ist dabei zentral.» Sie ist überzeugt, dass junge Feministinnen nicht von vorne anfangen müssen, sondern auf den Errungenschaften der Vorgängerinnen aufbauen können. «Das dürfen wir nicht vergessen, deshalb ist das Lernen voneinander und das Verständnis aufbringen für unterschiedliche Generationen wichtig.»
Zuerst als Austausch zwischen Frauen aller Parteien gedacht, wird der Frauenstamm nun vorwiegend von SP-Frauen und solchen ohne Parteizugehörigkeit besucht. Jeweils am dritten Samstagvormittag im Monat treffen sich Frauen jeden Alters im Restaurant Chrämerhus in Langenthal.
Schon viele Ideen sind entstanden
«Am Frauenstamm sind schon viele Idee entstanden», weiss Lirija. Der 32-jährigen Gewerkschaftssekretärin sind vor allem die verschiedenen Perspektiven und Erfahrungen wichtig. «Man kann voneinander profitieren», ist sie überzeugt. Dorette sieht den Stamm als wichtigen Kontakt mit jungen Frauen. «So verliere ich den Anschluss nicht und weiss, was die Jüngeren beschäftigt und welche anderen Voraussetzungen sie heute haben.» Für die 70-jährige, pensionierte Sozialpädagogin ist der Stamm «politische Heimat».
Eine andere Perspektive hat die 32-jährige Malerin Leo. «Der Stamm gibt mir Einblicke, wie das Alter mal sein könnte.» Es freut sie, dass die älteren und alten Frauen sich Zeit nehmen, zuzuhören. «Ich höre aus den Gesprächen, wie sie sich ihren Herzensprojekten widmen können und spüre viel mehr Gelassenheit.» Sie hoffe sehr, dass es ihr auch einmal so ergehe.
Aynur ist 65 Jahre alt, Wirtin und Krankenpflegerin aus Lotzwil, findet es schade, dass der Frauenstamm noch zu wenig bekannt ist. «Gerade bei Frauen mit Migrationshintergrund wären soziale Kontakte wichtig. Ausländerinnen fehlt oft ein Netzwerk.»
Die 25-jährige Sozialversicherungsfachfrau Samira wohnt in Herzogenbuchsee. «Ich war 2019 nach dem Frauenstreik erstmals am Stamm. Für mich ist der Austausch untereinander, auch mit verschiedenen Nationalitäten sehr wichtig. Sie bedauert zwar, dass kaum mehr Frauen mit anderer oder keiner Parteizugehörigkeit dabei sind, «andererseits kann man so parteispezifische Anliegen diskutieren.» Sie knüpft am Frauenstamm Kontakte und noch etwas ist ihr aufgefallen. «Mir war gar nicht bewusst, dass frauenspezifische Themen schon früher so intensiv diskutiert wurden.»
Der Frauenstamm – auch nicht-binäre Menschen sind willkommen - kann genutzt werden für feministische Diskurse, Sorgenbarometer, Updates aus dem Leben, als Erfahrungsaustausch, zum Unterschriftensammeln und einfach Käfelen, genauso wie es sich die Initiantin vorstellt hat.
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