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Wenn sich der Hunger unterwegs meldete

Foto Archiv Irmgard Bayard-Schärer: Drei Generationen meiner Familie beim stehenden Picknick: von links Grossmami Martha Kölliker, Mami Agnes Schärer-Kölliker und Bruder Beat Schärer neben dem ersten Auto der Familie.
Foto Archiv Irmgard Bayard-Schärer: Drei Generationen meiner Familie beim stehenden Picknick: von links Grossmami Martha Kölliker, Mami Agnes Schärer-Kölliker und Bruder Beat Schärer neben dem ersten Auto der Familie.

(Fortsetzung)

Jede Familie hatte ihre eigenen Vorlieben und Traditionen. Sei es bei Wanderungen oder bei Ausflügen mit dem Auto: Das Picknick gehörte bei den meisten Familien auf unterschiedliche Art dazu. Irmgard Bayard, Barbara Bischoff und Monika Fischer erinnern sich.


Picknick neben dem Auto
Irmgard Bayard

Unsere Familie hatte es nicht so mit dem Wandern. Hingegen waren meine Eltern schon früh stolze Besitzer eines Autos. Unser Opel hatte die damals üblichen weissen Streifen auf den Pneus und am Samstag mussten mein Bruder und ich beim Auto waschen helfen.

Das Auto war Statussymbol, aber auch praktisches Fortbewegungsmittel. Wir wanderten also nicht irgendwo hin, sondern fuhren. Die ausgewählten Orte waren zwar meistens schön, aber statt die Natur wirklich zu geniessen, sassen wir alle auf einer Decke neben dem Auto. Ob aus Bequemlichkeit oder damit es ja nicht gestohlen werden konnte, weiss ich nicht (mehr). Das Picknick war jeweils üppig und sehr fein, aber eben neben den Rädern.

Für uns Kinder war das normal, denn wir kannten nichts anderes. Schlimm war eigentlich nur, dass mir jeweils bei diesen Ausflügen schlecht wurde. Die «Kotzpause» gehörte deshalb ebenso dazu. Selbst die angewendeten guten Ratschläge (Orange mit Nelken bestückt ins Auto legen, ein paar Züge Zigaretten rauchen usw.) halfen nie. Aber was solls, die Erinnerung daran ist zwar nicht schön, aber lässt mich noch heute schmunzeln.



Wanderungen mit Picknick
Barbara Bischoff

In unserer Familie wurde viel gewandert. Mein Vater war ein passionierter Berggänger. Besonders die Bündnerberge kannten wir gut, da mein Vater als ehemaliger Gebirgsinfanterist im Militär oft in dieser Gegend unterwegs war. Aber auch in der näheren Umgebung kannten wir die Hügel und Berge. Meine Mutter war das Gegenteil. Wandern liebte sie nicht und sie hatte dauernd eine Ausrede parat, weshalb sie uns nun nicht begleiten könne.

Bei schönem Wetter zogen wir also los. Oft kamen noch Nachbarskinder mit, das machte den Tag noch schöner. Wir bestiegen Hügel, die nur zu Fuss erreichbar waren und wo sicherlich keine Gaststätte auf dem Weg zu finden war. So konnten wir ein Picknick mitnehmen. Ich glaube, ich liebte diese Wanderungen besonders wegen dem Picknick. Mutter kaufte uns Esswaren, die wir im Alltag selten hatten: Die obligaten Gerber Schachtelkäsli, gekochte Eier, Äpfel, Brot, Fleischkäse, oder wenn es Wälder hatte, Cervelats zum Bräteln.

Das Cervelatbraten war immer beliebt. Zuerst wurde Holz gesammelt und ein Feuer entfacht. Es brauchte natürlich Zeit, bis das Feuer einigermassen zum Bräteln geeignet war.

Wasser brauchten wir für den Aufstieg nach Ansicht meines Vaters nicht, da wir sonst zu viel schwitzen würden. Wir hatten deshalb sehr lange keine Feldflasche dabei. Manchmal hatte ich schrecklichen Durst und klönte darüber. Sobald ich ein Bächlein oder eine Wasserröhre entdeckte, wollte ich trinken. Eigentlich war das verboten. Mein Vater suchte immer zuerst die Brunnenstube (Dolendeckel), um die Sauberkeit zu überprüfen. Es weideten auf diesen Alpen meistens Kühe, die das Wasser verschmutzen konnten.

Einmal war ich so durstig, dass ich nicht gehorchte und das Wasser aus einer Röhre trank, bevor mein Vater die Brunnenstube entdeckt hatte. Die Strafe folgte sofort! Als mein Vater den Dolendeckel fand und aufmachte, sahen wir unten im Schacht eine Krötenfamilie, die diese Brunnenstube bewohnte. Ja und nun? Ich heulte und meine Geschwister lachten. Mein Vater hatte natürlich wieder einmal mit seiner Vorsicht recht gehabt. Meine superkluge ältere Schwester zog mich damit noch lange Zeit mit diesem Ungehorsam auf und prophezeite, dass nun in meinem Bauch wachsen würden.



Picknick im Wald und am See
Monika Fischer

War es in den Ferien oder am Wochenende? Ich weiss nicht mehr, wann die Mutter an warmen Tagen ein Picknick vorbereitete und wir in einen der beiden nahen Wälder spazierten. Der vertraute Weg kam mir sehr lang vor. Immer am gleichen Platz setzte sich die Mutter auf die ausgebreitete Wolldecke, während wir vier Kinder im Wald herumstreiften. Wir genossen es so sehr, dass wir kaum Zeit zum Essen fanden.

Sehr genau erinnere ich mich an unsere Picknicks im Strandbad Lido in Luzern. Mit dem Bus fuhr die Mutter mit meiner Schwester und den beiden Brüdern an den See, während der in der Stadt arbeitende Vater seine Mittagspause am See verbrachte. Der Frauen- und der Männerbereich waren damals durch eine Hecke abgetrennt. Mit der Mutter befanden wir uns auf der Frauenseite. Mit Spannung warteten wir jeweils darauf, bis wir die Stimme des Vaters von der anderen Seite der Hecke hörten und die Mutter ihm sein Picknick durch ein Loch in der Hecke durchreichen konnte. Das Gefühl des Bedauerns mit dem Vater, der sein Picknick getrennt von uns ganz allein essen musste, kenne ich noch heute. Immerhin konnten wir uns danach im Wasser treffen.

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