Wir feierten den 8. Geburtstag des grossen Enkels in einer Seebadi in Zürich, Es war ein heisser Junisonntag und die Badi war total überfüllt. Wir waren 6 Erwachsene, das Geburtstagskind, ein Erstklässler, und der knapp dreijährige Bruder. Kurz nach dem Kuchenessen war der Kleine einfach verschwunden.
Wir teilten uns auf, jemand blieb am Platz und die anderen suchten. Schon nach kurzer Zeit war der kleine Ausreisser gefunden, er sass friedlich am Sandstrand und füllte sein Schiff mit einer Ladung Sand. Bald waren auch die andern Suchenden wieder aufatmend bei den Badetüchern.
Der Vater des kleinen Enkels - mein Sohn - stöhnte, wie stressig doch die Wochenenden seien mit zwei Kleinkindern. Besonders der Kleine mache einfach immer was er wolle, wenn er nicht beobachtet sei. Ich meinte, das seien halt die Gene und rief ihm zwei Erlebnisse aus seiner Kinderzeit in Erinnerung.
Wir wohnten in einem kleinen Dorf im Unterland. Dort konnten die Kinder ins Freie, ohne ständig beaufsichtigt zu werden. Wir hatten abgemacht, wo die Grenzen waren, die er und sein kleiner Freund nicht überschreiten durften. Sie waren auch etwa drei oder vier Jahre alt. Aber eines Nachmittags waren beide verschwunden, samt den Dreiradvelos. Wir beiden Mütter suchten sie in immer grösseren Kreisen. Handys zur gegenseitigen Information gab es damals noch nicht. Gegen Abend kam ein Bauer mit Traktor und Wagen in unser Dorf gefahren. Auf dem Wagen sassen zwei fröhliche Buben mit ihren Velos. Sie waren etwa vier Kilometer weit gekommen!
Wir schimpften sie aus, aber wir waren froh, dass sie heil wieder da waren. Sie mussten versprechen, nie wieder mit dem Velo einfach abzuhauen.
Er verging kein Monat, waren sie schon wieder weg. Wieder suchten wir sie überall. Da kam eine Frau und meldete, der Pöstler des Nachbardorfes hätte angerufen, die beiden seien dort abzuholen. Sie wollten eine Tante besuchen, wussten aber nur, dass sie „Tante“ hiess. Wir holten sie auf der Post ab und erinnerten sie an das Versprechen, nicht mehr auszureissen. „Wir sind nicht mit den Velos gefahren, wir haben sie vorher zu Hause versorgt!“ erklärten die beiden.
Ich fragte mich, ob ich damals auch so gestresst war. Ich war noch
jung, als ich meine Kinder bekam, unter dreissig. Mein Sohn ist weit
über vierzig mit seinen zwei Buben. Wahrscheinlich ist es aber eher der
Wohnort. In einem Dorf kennt man sich und nimmt auch Verantwortung wahr
für fremde Kinder. Im Schwimmbad fällt unter hunderten von Kindern eines
gar nicht mehr auf. Natürlich verloren wir den kleinen Ausreisser für
den Rest des Tages nicht mehr aus den Augen!
© 2017 Hanna Hinnen
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