Ich habe sie genossen, die Bahnhofs-Zvieri mit meinen beiden Enkelsöhnen. Als Tochter eines Lokomotivführers sollte ich das ja auch. Ich behaupte jedoch, meine beiden Enkel liebten diese Bahnhofs-Aufenthalte genauso.
Die Beiden besuchten eine Kindertagesstätte in Zürich. Ihr Heimweg führte über den Hauptbahnhof. Die Zwillinge waren ungefähr 18 Monate alt, als ich sie das erste Mal am Nachmittag in der Kita abholen durfte. Ich nahm einen Zvieri mit, etwas zu trinken und viel Zeit. Im Hauptbahnhof suchten wir einen Gepäckwagen am Anfang der Geleise und setzten uns gemütlich hin. Das Weggli und das Schoggistängeli blieben in ihren Händen, denn es gab ja so unglaublich viel zu bestaunen.
Ich wusste bis dahin auch nicht, dass dieser Bahnhof eine solche Faszination ausstrahlte. Die Köpfe der beiden drehten sich, denn da pfiff der Kondukteur und winkte mit einer weissen Karte, damit der Zug auf dem Gleis hinter uns abfahren konnte. Schon fuhr auf dem Gleis vor uns ein Zug ein. Viele Menschen drängten auf‘s Perron und an uns vorbei. Da kamen zwei Gleisarbeiter um die Lokomotive abzukoppeln. Der Lokomotivführer stieg aus und wischte die Stange beim Ausstieg ab, damit der nachkommende Lokomotivführer nicht tote Insekten an den Händen hatte. Schon stiegen die Reisenden ein und bald machte sich der Kondukteur am orangen Abfahrtssignal-Kasten zu schaffen. Alles war für die Beiden spannend, ja sogar aufregend.
Als die Beiden älter wurden, verliefen die Zvieris etwas anders. Es kamen die Fragen, was denn der Kondukteur in seiner Tasche hätte? Netterweise öffnete sogar ein sehr Freundlicher seine Tasche und erklärte deren Inhalt. Sie kommentierten die Lautsprecher-Ansagen, bewegten sich ungeniert auf
dem Gepäckwagen und vergassen auch den Zvieri nicht. Als fast fünfjährige Jungs wurde der Gepäckwagen zum virtuellen Zug umfunktioniert. Einer war Lokomotivführer und Gleisarbeiter in einer Person, der andere Kondukteur und ich durfte die Reisende spielen. Natürlich wurde mein Bahnbillet kontrolliert.
Als fast sechsjährige Buben waren ihnen die Abläufe im Bahnhof bekannt. Ich spürte, dass dieses Zvieri-Ritual an Spannung verlor. Einmal noch ging ich mit ihnen hin, drückte jedem einen Fotoapparat in die Hand und bat sie ihre persönlichen Fotos zu machen. Der Eine fotografierte Züge und Menschen. Der Andere kroch unter den Gepäckwagen und machte Fotos von der Deichsel. Es sei etwas kaputt und er müsse die kaputte Stelle fotografieren, meinte er zu seinen technischen Bildern.
Heute sind sie im Kindergarten und die Zeiten auf dem Gepäckwagen am Hauptbahnhof Zürich sind vorbei. Wir haben bereits andere Zvieri-Rituale ausprobiert, die uns auch viel Spass machen.
© 2017 Margot Bryner
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