Wie entstand die Liebe zu meiner Grossmutter, die ich bis heute spüre. Warum fühle ich mich mit ihr so verbunden? Das interessiert mich, seit ich selber Grossmutter geworden bin. Unlängst entdeckte ich Briefe, die ich in jungen Jahren an meine Grossmutter geschrieben hatte. So suchten meine Gedanken den Weg in die Vergangenheit.
Es sind deutliche Bilder, die ich aus früher Kindheit in meinem Herzen bewahrt habe. Als vier- und fünfjähriges Mädchen verbrachte ich Ferien bei ihr. Sie lebte noch in dem Dorf, wo sie aufgewachsen war. Sie kannte dort alle Leute. Wenn wir im Dorfladen einkaufen gingen, gab es auf dem Weg immer einen kleinen Schwatz. Ich liebte die gemeinsamen Besuche bei Verwandten und ihren Freundinnen. Sie stellte mich jeweils voller Stolz als ihre Enkelin vor. Sie ging mit mir an den Fastnachtsball im Dorfrestaurant. Sie nahm mich mit an eine Beerdigung und ich durfte ihre direkten Nachbarn ganz alleine besuchen. Ich genoss es im eisernen Zuber auf der Terrasse zu baden; im Estrich in alten Kisten zu wühlen. Sie liess mich gewähren und freute sich mit mir über mein Tun.
Als ich ungefähr sieben Jahre alt war, verkaufte sie das Haus in dem Dorf und zog für zwei Jahre weit weg von meinem Elternhaus. Ich vermisste sie sehr.Einige Jahre später kaufte sie zusammen mit meinem Onkel und meiner Patin ein Kino in unserer Nähe. Ich durfte sie dann bald mit dem Zug alleine besuchen. Ich liebte diese Besuche sehr, nicht nur wegen dem Kino! Ich durfte mit meiner Grossmutter im selben Zimmer schlafen. Ich erinnere mich heute noch an die leise geführten Gespräche. Sie gaben mir das Gefühl: ich bin ihr wichtig. Sie bestärkte mich, meine Träume zu verwirklichen; sie nahm sich Zeit für mich.
Im Verlaufe meines Lebens durfte ich immer wieder auf ihr Verständnis und ihre Unterstützung zählen. Sie zeigte mir immer ihre Freude, wenn sie mich sah.
Das sind wunderbare Erinnerungen. Das Allerschönste, was meine Grossmutter mir hinterlassen hat, spüre ich bis heute: ihr war mein Wohlbefinden wichtig. Sie war stolz auf mich, ohne dass ich mich anstrengen oder verbiegen musste. Nun habe ich sechsjährige Enkelsöhne. Ich liebe beide so, wie sie sind. Als Grosi kann ich nun von meinem Grossmutter-Vorbild profitieren. Das ist ein zweites grosses Geschenk.
© 2016 Margot Bryner
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