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Ein emotionaler Verlust – ein energetischer Gewinn

Fast dreieinhalb Jahre habe ich jeden Mittwoch meine beiden Enkelsöhne betreut. Vom Kindergarten bis in die zweite Klasse. Ich habe mich jeden Mittwoch auf die Beiden gefreut. Es hat mir viel Zufriedenheit gegeben, an ihrer Entwicklung teilzuhaben. Es war schön, ihre Kindergartenzeit und die ersten Schritte in der Schule mitzuerleben. Ihr Strahlen beim Heimkommen und ihre Umarmung habe ich jede Woche genossen.

Wir haben in der vergangen Zeit unsere Fantasie ausleben können. Wir spielten Feuerwehr, Polizei und Sanität. Retteten Teddybären und sonstige Plüschtiere. Wir spielten ganze Geschichten wie Aschenbrödel oder Apollo 13 mit einer Mondrakete aus der Kartonverpackung eines Kühlschrankes. Alles in der Wohnung. Es war eine tolle Zeit.

Die Jungs sind jetzt gross, und ihr Spielverhalten hat sich geändert. Sie lieben Sport und das Zusammensein mit Schulkollegen. Das ist mir letzten Herbst schon aufgefallen. Wir spielten „Ball über die Schnur“, nein, natürlich spielten wir „Volleyball“! Ich versuchte, mitzuhalten. Oft hörte ich dann den Zuruf der Jungs: “Grosi, du kannst nicht einfach die Arme strecken, du musst rennen!“ Ich bin überhaupt nicht sportlich und relativ schnell ausser Puste. Es war nicht mein Ding.

Da kamen die Beiden auf die Idee, dass wir uns nach den Hausaufgaben und dem Üben für den Musikunterricht, Gesellschaftsspielen widmen könnten. Dem einen gefiel Monopoly, der andere wollte nur die Bank sein. Das ging eine gewisse Zeit gut, dann wollten beide die Bank sein – schwierig! Sie hatten völlig unterschiedliche Vorlieben, was die Spiele betraf. Der eine wollte Schach spielen, der andere Lotti-Karotti!

Im Winter kamen dann Schulkollegen zu Besuch. Da wurden die Raufereien aber auch schon mal heftig. Es kostete mich viel Energie, etwas Ruhe in den Nachmittag zu bringen. Bei gutem Wetter holten sie die Fahrräder aus dem Keller und rasten auf dem Trottoir im Quartier rauf und runter. Auch das kostete mich Energie – zu hoffen, dass nichts passierte!

Eine Veränderung der Betreuungssituation zeichnete sich ab. Mein Sohn übernahm nach den Sportferien den Mittwoch, indem er 90 % arbeitete. Am Mittwochmorgen macht er „homeoffice“, und am Mittwochnachmittag betreut er jetzt die Jungs. Die sportlichen Ambitionen der Buben werden so sicher gut befriedigt werden.

Ich erlebte diese Umstellung tatsächlich als emotionalen Verlust. Sie nicht mehr jeden Mittwoch zu sehen, machte mich einerseits traurig, und andererseits fühlte ich mich auch entlastet. Ich werde nun als Springerin eingesetzt und als Feriengrosi gebraucht. Die Verantwortung für die regelmässige Mittwochsbetreuung abzugeben, das gibt Energie für Neues in meinem Alltag. Das ist auch ein Gewinn für mich.

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© 2018 Margot Bryner

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