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Projektarbeit im Rentenalter

Alle Zeit der Welt für mich allein: ich war frisch pensioniert. Ich kümmerte mich um den Haushalt, putzte die Schuhe öfters als früher, wusch die Vorhänge, kaufte ein und kochte. Ich begann die neu gewonnene Grossmutterrolle zu entdecken, Bücher zu lesen und die freie Zeit zu geniessen. Viel freie Zeit. Dann fragte ich mich, was ich mir für die Zukunft noch wünschte. Gab es noch Ziele, Träume zu realisieren?

Es war mein Glück, dass ich von verschiedenen Frauengruppen hörte, die sich mit der Zeit nach der Pensionierung auseinander setzen wollten. Ich entschied mich für Mitarbeit in einer Gruppe mit dem Thema: „Was muss ich noch anreissen, um mein Leben abzurunden?“ Ein weites Feld dieses Thema, eine Projektarbeit in der Gruppe mit einem ganz persönlichen Ziel für jede Teilnehmerin. So wurde ich angeregt und auch begleitet auf dem Weg meine persönlichen Ziele zu formulieren, meiner Zukunft gestalterisch Zeit zu widmen. Das fühlte sich gut an.

In der Gruppe wurde uns klar, dass sowohl Frauen wie Männer im Alter Tätigkeiten ausbauen, die sie im Verlaufe ihres Lebens ausprobiert, aber aus Zeitmangel auf später verschoben hatten. Oder, es gab in jüngeren Jahren Träume, die aus unterschiedlichen Gründen vertagt wurden. Also war die erste Aufgabe eine Rückschau auf das eigene Leben zu halten. Die Gestaltung dieser Rückschau war jeder Teilnehmerin freigestellt. Ich begann einen kurvigen Flusslauf zu zeichnen, dessen Quelle bei meiner Wiege entsprang und der am Ende des Lebens – ich zeichnete einen Sarg – ins Meer floss. Ich begann alle meine Erlebnisse, Tätigkeiten und auch das, wovon ich zu bestimmten Zeiten geträumt hatte in Stichworten aufzuschreiben oder entsprechende Bilder auszuschneiden. Diese klebte ich der Reihe nach auf meinen Lebensfluss. Es gab ein reiches, buntes Bild von gelebtem und geträumtem Leben. Ein Teil des Flusses bis zum Meer, die Lebenszeit, die noch vor mir lag, blieb vorerst unbeschriftet.

Hier war das Projekt – mein persönliches Projekt. Nun wollte ich eine gewisse Zeitspanne in meiner Zukunft beschriften. Hinschreiben, was ich nächstens anpacken wollte. Herausfinden, was ich gerne gemacht habe und nochmals machen möchte, was ich neu entdecken möchte.

Es hat mir geholfen zu sehen, dass Beziehungspflege innerhalb der Familie, mit Freunden und Bekannten, sowie die Arbeit in Gruppen für mich wichtig ist. Reisen, lesen und schreiben sind die Gewürze meines Lebens. Ich geniesse es ins Theater und ins Konzerte zu gehen, schöne Filme im Kino oder Fernsehen zu schauen. Das sind die Früchte im „z’Morge Müesli“. Ich liebe Sprachen und freue mich Teil einer Englischkonversations-Gruppe zu sein, das ist intellektuelle Nahrung. Ich bewege mich gerne zu Musik und gehe ins „Everdance“ der Pro Senectute, das ist meine sportliche Betätigung. Einiges habe ich in den letzten vier Jahren ausgebaut, anderes tatsächlich angerissen.

Das Ganze ist jedoch ein fortlaufendes Projekt … wer weiss, was da noch kommt!

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Margot Bryner

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