Wir sorgten uns um die dreijährige Enkelin. Zuerst fanden wir es logisch, dass sie nach einem Spitalaufenthalt enorm anhänglich war. Die unerwartete Einweisung infolge einer schweren Lungenentzündung musste für sie ein Schock gewesen sein, obwohl sie im Spital stets von einem Elternteil begleitet war.
Doch gab es auch nach einem halben Jahr jedes Mal ein Geschrei, wenn sie sich von ihrer Mutter trennen musste. Sie klammerte sich mit aller Kraft an sie und wollte sich bei allem Zureden nicht von ihr lösen.
Was tun? Brauchte das Kind fachliche Unterstützung? Sollten sich die Eltern Rat holen? Weil diese das Verhalten dem erlebten Trauma zuschoben, sahen sie davon ab. Zudem war die Kleine nach überstandener Krise jeweils rasch wieder das aufgeweckte Mädchen mir dem ihr eigenen Schalk.
Als ich wieder einmal beim Hüten das Trennungsgeschrei miterlebte, fuhr ich sie wohl ungewohnt laut an: «Hör doch endlich auf mit diesem Theater!» Noch lauter schrie die Kleine zurück: «Ich mache kein Theater! Du bist eine ganz ganz böse Groma!»
Hatte ich das Kind in seinem Schmerz zu wenig ernst genommen? Oder es gar mit ihm verscherzt? - Wahrscheinlich nicht, verlief doch der Tag nach dem Ausbruch wie gewohnt recht harmonisch.
Auf meine Einladung für ein paar Ferientage mit der Schwester meinte die Kleine stets, sie komme nicht mit. Wie erstaunt waren wir alle, als sie am Vorabend der Abreise ganz selbstverständlich mit Mutter und Schwester auch ihr Köfferchen packte und sich schon bald nach der Ankunft bei mir ohne Theater von den Eltern verabschiedete.
Wir genossen die gemeinsame Zeit beim Spielen, Beim Erzählen von Geschichten, Singen, einem Spaziergang durch die Stadt und beim Herumtollen im Schnee. Das Schlafen im ungewohnten grossen Couchbett machte den beiden Mädchen besonderen Spass.
Nach der ersten Nacht packte die Kleine ihre Kleider sorgfältig in den Koffer. Doch erklärte sie im Laufe des Tages, sie wolle auch noch länger bei mir bleiben.
«Kommst du wieder einmal zu mir in die Ferien?», fragte ich sie beim Abschied. «Ja, ja, Groma», rief sie mit leuchtendem Gesicht.
Diese Erfahrung zeigte mir einmal mehr: Wir können das Verhalten von
Kindern nicht immer ergründen, oft bleibt es für uns ein Rätsel.
Manches ergibt sich von selbst, wenn wir die Kinder mit Liebe, Vertrauen
und manchmal eben auch mit der nötigen Geduld begleiten.
© 2017 Monika Fischer
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