Glosse von Luise F. Pusch, erschienen am 30. September 2012, in FemBio (Frauenbiografieforschung)
«Die Pläne von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) für eine Grosselternzeit nehmen konkrete Formen an. Bis zu drei Jahre sollen berufstätige Omas oder Opas am Arbeitsplatz eine Auszeit nehmen können, um ihre Enkel zu betreuen und so die eigenen Kinder zu entlasten. Die Grosselternzeit sieht allerdings weder einen Lohnersatz noch Beiträge des Arbeitgebers für Rente und Krankenkasse während dieser Auszeit vor. […] Sozialpolitiker fürchten …, dass vor allem den Grossmüttern während einer beruflichen Auszeit zur Enkelbetreuung weitere Beitragsmonate in der Rentenversicherung verloren gehen.
Was sagt die Opposition? Weder das Betreuungsgeld noch die Grosselternzeit könnten ein bedarfsgerechtes Angebot von Kita-Plätzen ersetzen, sagen übereinstimmend SPD, Grüne und Linke.»
So Die Welt kompakt am 28.9.12, nachzulesen hier: www.welt.de
Die Grosseltern sollen also auf bezahlte Arbeit verzichten, um unbezahlt Familienarbeit zu leisten. Ich finde, das ist eine Zumutung. Ich könnte der Idee allenfalls etwas abgewinnen, wenn aus der Grosselternzeit eine Grossväterzeit würde. Nach folgender Regel: Für die «Grosselternzeit» kommt diejenige Person in Frage, die sich um die «Elternzeit» gedrückt hat. In der Regel waren und sind das die Väter, von denen inzwischen viele zu Grossvätern geworden, vielleicht sogar zu «neuen Grossvätern» herangereift sind wie manche ihrer Söhne zu «neuen Vätern». Die Grossväterzeit als letzte Gelegenheit, sich auch mal selber um den Nachwuchs zu kümmern.
Vor drei Jahren habe ich mich schon einmal mit der Abschiebung der Kinderbetreuung an die «Grosseltern» beschäftigt. Ich fürchte, meine Beobachtungen und Bedenken von damals sind noch immer aktuell. Sehen Sie selbst; ich habe den Text nur leicht abgeändert:
In der Zeit Nr. 24 vom 5. Juni 2008 schreibt Angelika Dietrich unter der Überschrift «Oma, du bist mein Freund» einen Artikel über das Enkelsitten, wie sie es nennt. Er beginnt mit der Zusammenfassung, die uns neugierig machen und zum Weiterlesen anregen soll: «Die Grosseltern sind unentbehrliche Babysitter, wenn die Eltern berufstätig sind. Aber konfliktfrei ist dieses Arrangement nicht.»
Wie denn nun? Oma oder Grosseltern? Ich bin tatsächlich neugierig geworden. Wir wissen schon, dass die Frauen auch noch im fortgeschrittenen Alter fast die ganze Familien-Arbeit alleine machen, aber zunächst wird uns noch etwas mehr Sand in die Augen gestreut:
30 Prozent der Grossmütter in Deutschland betreuen mindestens einmal pro Woche ihre Enkelkinder. Bei den Grossvätern ist es etwa ein Viertel. Und weniger regelmässig hüten fast 60 Prozent der Grossmütter und mehr als die Hälfte aller Grossväter innerhalb eines Jahres ihre Enkelkinder. Das haben Karsten Hank von der Universität Mannheim und Isabella Buber vom Demographischen Institut Wien in einer Studie zu Generationenbeziehungen im alternden Europa festgestellt.
Also in beiden Gruppen, wenn ich richtig rechne, sollen die Grossväter grade mal 5 Prozent weniger beteiligt sein am Enkelbetreuen? Ich glaube das nicht. Und die Autorin anscheinend auch nicht. Denn im Rest des Artikels redet sie nur nur noch vom Modell Oma:
Das Oma-Modell ist für die, die keine Oma zum Kinderhüten haben, Anlass zum Neid: Die Oma kostet nichts, die Oma hat keine Schliesszeiten, die Oma ist keine fremde Bezugsperson, man kennt die Erziehungsmethoden. Die Oma als Zauberformel, die alle Betreuungssorgen löst.
Opa kommt auch tatsächlich in dem ganzen Artikel nur ein einziges Mal vor, und zwar sagt eine weit auswärts enkelsittende Oma über ihn: «Ich habe ja hier auch noch mein Leben und meinen Mann. Der ist nicht sehr häuslich. Wenn ich weg bin, koche ich vor und bitte die Nachbarn, den Müll rauszustellen.»
«Nicht sehr häuslich» ist gut. Ihr Mann ist offenbar ein Oberfaultier – dass sie es mit ihm noch aushält, kann nur an seiner üppigen und ihrer Mini-Rente liegen. Und ihre Minirente liegt daran, dass sie ihre Berufstätigkeit wegen der Kinder aufgegeben oder unterbrochen hat.
Und wo hat Opa gelernt, dass er noch nichtmal den Müll alleine rausstellen kann, so dass seine Frau das mit Hilfe der Nachbarn (ich vermute: Nachbarin) organisieren muss? Sicher schon in frühster Kindheit, als seine Mutter alles hinter ihm her räumte, ihn bekochte usw. Und wenn die nicht (mehr) konnte, kam die Oma zu Hilfe.
Der Artikel schliesst mit einer herzigen Betrachtung:
Als sich Annemarie Seifert auf ihren neuen Job einliess, war sie 74. Ob sie je bereute, was sie sich da auflud? Sie schweigt ein wenig, die Bäckchen werden rosa, dann sagt sie: «Wenn Jasper sagt, ‹Oma, du bist mein Freund›, da geht einem das Herz auf. Das ist immer der Mühe wert.» Und ihre Tochter muss einfach damit klarkommen, dass die Kinder am Freitag «Oma» zu ihr sagen.
Aber nicht nur die Kinder sind konfus. Alle sind konfus. Ist ja auch kein Wunder bei der konfusen Sprache, die die Arbeit der Omas den «Grosseltern» zuschreibt.
Natürlich ist das Modell Oma beliebter, weil Kinder unter weiblicher Obhut einfach sicherer sind, sicher vor allem vor Pädokriminalität. Das ist aber kein Grund, die ganze Last den unbezahlten Grossmüttern zu überlassen und das dann «Grosselternzeit» zu nennen. Pädokriminalität ist ein Problem von grausamer Tragweite; sie droht nicht nur von Grossvätern, sondern auch von Vätern, Erziehern und Betreuern in den Kitas. Pädokriminalität geht von Männern aus und wird erst aufhören, wenn wir eine ganz andere, nichtpatriarchale Kultur haben. Die Grossväterzeit wäre ein – wenn auch risikobehafteter – Schritt in diese Richtung.
ist Sprachwissenschaftlerin und Publizistin und lebt in Deutschland.
Weitere Informationen www.haz.de
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